TH:Landesparteitag 2013.2/Antragsportal/Programmantrag - 015
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AntragstitelDas Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit schützen! Antragstext Es wird beantragt, als Pkt. 4.1.4 nachfolgenden Text in das Programm der PIRATEN Thüringen aufzunehmen. Der bisherige Pkt. 4.1.4 "Kinderfreundliche Verkehrsplanung" ist unter einem neuen Pkt. 4.1.5 nachrangig einzuordnen.
Die PIRATEN Thüringen lehnen vehement alle Versuche ab, über gesetzliche Sonderregelungen, Dienstanweisungen oder das Aussetzen von Strafverfolgung aus nichtmedizinischen Gründen erfolgende Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit von Kindern straffrei zu stellen. Derartige Bemühungen widersprechen diametral den Regelungen und Geboten des Grundgesetzes (insb. Art. 2 und 3) und der UN-Kinderrechtskonvention. Das fundamentale Recht jedes Kindes auf Menschenwürde, körperliche, seelische und sexuelle Integrität sowie freie Wahl einer Religion darf nicht angetastet werden. Wir setzen uns dafür ein, dass religiöse und anderweitige Bräuche und Traditionen, die der Gesundheit von Kindern schaden, abgeschafft werden (entsprechend Art. 24 Abs. 3 der Kinderrechtskonvention). Dazu ist der Dialog mit Vertretern der Religionen, den Betroffenen, Medizinern, Kinderschutzverbänden, sowie Ethikern und Juristen zu suchen.
AntragsbegründungDer Antrag bezieht sich auf den am 12.12.2012 durch den Bundestag angenommenen Gesetzentwurf zur Straffreiheit der Beschneidung von Jungen, der diese der elterlichen Sorge unterordnet. Das Gesetz wurde anlässlich eines Urteils der 1. Strafkammer des Kölner Landgerichts [1] zur Wertung der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung in extrem kurzer Zeit und ohne ausreichende öffentliche Diskussion erarbeitet und zur Abstimmung gestellt. Als Ergebnis soll im Bürgerlichen Gesetzbuch ein neuer Paragraph 1631d eingefügt werden, der Eltern im Rahmen des elterlichen Sorgerechts die Einwilligung zur Beschneidung eines männlichen Kindes ermöglicht. Dabei wird den Eltern noch nicht einmal die Offenlegung oder Überprüfung ihrer Motive abverlangt, geschweige denn dem Betroffenen selbst eine Chance der Mitbestimmung eingeräumt. Kinderschutzvereine und Ärzteverbände kritisieren den Gesetzentwurf heftig:
Die genitale Beschneidung (im eigentlichen Sinne Verstümmelung) ausdrücklich zu erlauben, widerspricht diametral der auch von Deutschland vollständig ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention, in der es heißt: "Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen." (Artikel 24 Absatz 3 der UN-Kinderrechtskonvention) Der Passauer Rechtsprofessor Holm Putzke spricht von einer "bizarren Missachtung kindlicher Rechte".[2] Reinhard Merkel, Rechtsphilosoph und Strafrechtler an der Uni Hamburg, Mitglied des Ethikrates, spricht von einem "kläglichen Gesetzentwurf".[3] In der Begründung der gesetzlichen Neuregelung bezieht man sich absurderweise auf eine Stellungnahme der Amerikanischen Akademie der Kinderärzte (AAP), eines Verbandes aus einem Land, in dem immer noch ein Großteil der männlichen Neugeborenen beschnitten werden. Weltweit haben mittlerweile 30 pädiatrische Verbände der Auffassung der AAP widersprochen und halten sie für nicht von Forschungsergebnissen belegt. [4] Die im Entwurf vorgesehene Regelung einer "im Einzelfall gebotenen und wirkungsvollen Schmerzbehandlung" ist eine windelweiche juristische Formulierung, da insbesondere bei Neugeborenen eine Vollnarkose nicht möglich ist oder ein großes Risiko darstellt. Das wiederum bedeutet, dass nichtärztliche Beschneider, die keine anästhesiologische Nervenblockade an der Peniswurzel beherrschen bzw. ausführen dürfen, weiterhin auf ihre herkömmlichen absurden Methoden (Zäpfchen, Rotwein) zurückgreifen können. Das ist skandalös. Die Beschneidung allein männlichen Kindern zuzumuten, ist extrem diskriminierend und sexistisch. Im Islam gibt es vier Rechtsschulen: Malikiten und Hanbaliten befürworten auch die Frauenbeschneidung, Schafiiten halten sie sogar für eine religiöse Pflicht. Völlig adäquat zur männlichen Vorhautbeschneidung handelt es sich bei diesen Vorschriften ("Sunna-Beschneidung", wissenschaftlich als Female Genitale Mutilation Typ I bezeichnet) um eine Entfernung der Klitorisvorhaut bei der Frau. Was bei Mädchen und Frauen völlig zu Recht als Verbrechen gilt, ist trotzdem bei Jungen legalisiert worden! [5] Kinderrechte dürfen nicht – weder religiös motiviert noch aus anderen Erwägungen (Hygiene, Ästhetik oder sexualrepressiven Gründen) – zur Disposition gestellt werden. Zwar gewährleistet Artikel 4 Absatz II des Grundgesetzes die "ungestörte Religionsausübung". Aber im bedeutenden Kommentar zum Grundgesetz (GG) von Maunz Dürig kann jeder nachlesen, "dass sich Artikel 4 II nicht auf solche religiös motivierten Verhaltensweisen erstreckt, durch die das Sittengesetz flagrant verletzt wird" (Maunz Dürig, Grundgesetz, Kommentar zu Artikel 4 II, Rand-Nr. 113). Das Recht auf freie Religionsausübung ist ein individuelles Recht, es erstreckt sich nicht auf andere. Die eigene Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen Menschen beginnt. Und schliesslich betont auch die UN in ihren "Allgemeinen Bemerkungen zur UN-Kinderrechtskonvention": "Definitionen von Gewalt dürfen unter keinen Umständen das fundamentale Recht des Kindes auf menschliche Würde und auf körperliche und seelische Integrität untergraben, indem gewisse Formen von Gewalt als gesetzlich und/oder sozial zulässig beschrieben werden."
Piratenpad
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AnregungenBitte hier Tipps zur Verbesserung des Antrages eintragen. DiskussionHier können Argumente angegeben werden, die für oder gegen den Antrag sprechen . Dafür
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- „In der Zielsetzung sicherlich lobenswert.
Aber man kann religiöse Wertvorstellungen (oder andere tiefliegende Motivation) nicht durch Gesetze ändern. Verbote führen nur dazu, dass sich das ganze in den Untergrund begibt. Siehe Prohibition, Schwangerschaftsabbruch oder Schwulen-Paragraph. Hier kann nur Aufklärung betrieben werden und zwar aus den religiösen Gemeinden heraus. Mir persönlich scheint eine Regelung wie beim Schwangerschaftsabbruch sinnvoll. Erlauben, aber eine Beratung verpflichtend voraussetzen...“ Manfred TH Unterstützung/Ablehung des Antrags |