Diskussion:TH:Landesparteitag 2012.2/Antragsportal/Programmantrag - 018

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Preamble

Wir leben in einer Welt, die immer kleiner und vernetzer wird. Und manche Probleme lassen sich kaum noch in den Größenordnungen die Nationalstaaten darstellen lösen. Aus diesem Grund ist die europäische Integration so wichtig und notwendig. Dabei müssen aber die demokratischen Prinzipien gelten. Und genaus dies ist das Ziel dieser Anträge.

0. Ist das der richtige Ort?

Zuerst stellt sich natürlich die Frage, ob ein LPT der richtige Ort für einen solchen Antrag ist, da dies eigentlich ein Bundesthema ist. Diese Frage haben wir schon sehr oft diskutiert, und muss auch immer wieder diskutiert werden. Ob dies sinnvoll ist, muss aber am Ende jeder für sich entscheiden und werde ich hier nicht weiter ausführen.

1. Die Grundlage

Grundlage der Arbeit der EU sind zwei Verträge. Zum einen der Vertrag über die Europäische Union und zum zweiten der Vertrag über die Arbeitsweise der EU. Erster regelt den prinzipiellen Aufbau, letzterer die Ziel und Richtung der Union.

Diese Verträge wurden zwischen Einzelstaaten geschlossen (aktuell 27 Mitgliedern) und von den jeweiligen Parlamenten angenommen. Der Vertrag von z.B. Lisabon ist eigentlich nur ein Update an diesen beiden Verträgen. Sie haben aber wieder den Charakter eines Vertrages und müssen folglich den selben Weg geben, also Schluss durch die Mitgliedsstaaten und Ratifizierung durch die nationalen Parlamente. Wenn sich ein Mitglied quer stellt, bleibt der jeweils aktuelle Vertrag in Kraft.

Ein weiterer grundlegende Punkt ist die fehlende Grundlage der EU. Die EU vermeidet sich als Bundesstaat zu bezeichnen und die Verträge als "Verrfassung". Sie können also einem Einzelstaat (sie dazu unten) folglich nicht seine Souveränität einschränken (selbst wenn das gewollt wäre). Jede Verordnung der EU muss also durch die jeweiligen Parlamente. Dabei kann man sich das Leben ein wenig einfacher machen, aber im Prinzip muss jede Verordnung immer durch alle Parlamente. Deswegen ist z.B. auch die Entscheidung des Verfassungsgerichtes zum ESM vollkommen klar, da es sich genau an diesen Grundsatz hält. Das eben dieses Gericht im übrigen dem europäischen Parlament die Legitimierungsfähigkeit abgesprochen hat, sei hier noch als kleine Notiz erwähnt.

2. Die Player

Es gibt im Wirken der EU mehrere Spieler die hier kurz erklärt werden sollen (Stand Lisabon-Vertrag)

1.) Ministerrat Dieser Rat setzt sich aus den jeweiligen Fachministern der Mitgliedsstaaten zusammen. Also wenn es um Umwelt geht die Umweltminister etc.. Dieser Rat ist das hauptsächliche Legislativorgan. In speziellen Bereichen ist es übrigens das einzig qualifizierte Entscheidungsgremium.

2.) Das europäische Parlament Es wird in nationalstaatlich organisierten Wahlen gewählt. In diesen Wahlen wird pro Mitglied eine durch den Vertrag festgelegte Anzahl von Plätzen belegt. Dabei wird es durch einfache Listenwahl gewhöt und organisiert sich "normal" in Fraktionen. Es bestätigt die Komission.

3.) Europpäische Kommission So, jetzt wird's richtig Heikel. Die Kommission wird zusammengesetzt aus Kommissaren die von den Mitgliedern entsandt ewrden. Es wird ernannt vom Ministerrat und hat eigentlich die Aufgabe die Durchführung der Verordnungen zu überwachen. Es ist das einzige Organ mit dem sogenannten Initiativrecht, d.h. das Recht eine Verordnung anzustoßen.

4.) Gerichtshof der EU Es ist das oberste Gericht und setzt sich aus Richtern den Mitgliedssstaaten zusammen, wobei jedes Mitglied ein Richter entsendet. Die Richter werden dabei von den jeweiligen Regierungen auf 6 Jahre ernannt.

5.) Europäischer Rat Dieser setzt sich aus den jeweiligen Regierungschefs zusammen. Er legt die Richtlinien der EU fest.

3. Kritik

Nun, das klingt doch im ersten Moment alles ganz vernünftig. Wo ist also das Problem?

1.) keine Gleiche Wahl Die Wahl des europäischen Parlamentes ist nicht gleich. Wie oben geschrieben werden die Wahlen nationalstaatlich organisiert und besetzen pro Land eine festgelegte Anzahl von Sitzen. Dabei werden in dieser Wahl in Frankreich 1.14 Sitze pro Mio Einwohner besetzt. In Malta 14.62 Sitze pro Mio Einwohner. Das macht eine Abweichung von 1286%. D.h. ein malteser hat ein ca. 14mal höheres Stimmgewicht als ein Franzose. Nach den üblichen Maßstäben an eine Wahl (in der BRD sind Abweichung über 25% nicht erlaubt bei der Einteilung der Stimmkreise) ist dies also keine demokratische Wahl

2.) Nur Listenwahl Bei der Wahl des EU-Parlamentes wird ausschließlich die Listenwahl praktiziert. Zur Kritik an reinen Listenwahlen muss ich mich vermutlich hiern icht äußern. Aber dieser Punkt ließe sich reparieren, also soll er nicht im Vordergrund stehen.

3.) fehlende Gewaltenteilung Ich fasse Punkt 2 noch einmal kurz zusammen: Die jeweilgen Nationalregierungen

  • stellen
    • europäischen Rat
    • Ministerrat
  • ernennen
    • den Gerichtshof
    • Kommission

Nur das Parlament wird in einer Wahl, wenn auch nicht nicht demokratisch aber immerhin, vom Volk bestimmt. Vor allem die Abhängigkeit der Judikative von den Nationalregierungen sehe ich besonders kritisch.

Zusätzlich hat das Parlament nur sehr eingeschränkte Befugnisse, was ebenfalls hier genannt werden sollte.

(Hier sei mir eine kleine polemische Zwischenbemerkung erlaubt: Genau diese fehlenden Gewaltenteilung und Abhängigkeit von den Nationalregierungen ist der Grund für die wahnsinnigen Verordnungen wie die Vorratsdatenspeicherung. Die Regierungen können über den Rat direkt ihre Richtlinien festlegen, über den Kommission direkt in den Prozess kippen und von einem abhängigen Gericht bestätigen lassen)

4.) Fehlende Gerichtsbarkeit Ein normaler Bürger kann nicht vor dem Gerichtshof klagen. Vor dem Gerichtshof klagt im Allgmeinen die Kommission gegen die Mitglieder. Es ist kein Gerichthof in dem Sinne wie wir es verstehen.

4. Lösungen

Nun stellt sich die Frage: Kann man obige Problem der EU nicht innerhalb der EU heilen? Die Antwort darauf ist meiner Meinung nach leider "nein".

Das hat mehrere Ursachen, abhängig vom Problem:

1.) Die ungleiche Wahl kann nicht beseitigt werden aufgrund der rechtlichen Grundlage. Aktuell haben Malteser nun einmal ein ca. 14 faches Stimmgewicht. Wenn Malta sich gegen ein sinnvolles Update dazu sperrt, bleibt diese Regel in Kraft. Dabei habe ich natürlich das absurdeste Beispiel gewählt, die Grundüberlegung gilt aber für alle "kleineren" Mitgliedsstaaten. Es ist unwahscheinlich, und das ist der freundliche Ausdruck, dass dies von den Regierungen der jeweiligen Länder geändert wird. Wenn Thüringer ein 14 faches Stimmgewicht beim BPT hätten, was ich für einen vernünftigen Plan halte ;), würde ich das auch nicht ändern wollen.

2.) Fehlende Gewaltenteilung und Rechtsprechung Die Organe der EU sind so verquer angelegt, dass man das nicht heilen kann ohne die Ordnung grundlegend zu ändern. Zusätzlich fehlt der politische Wille dazu, da die EU ein sehr bequemes Element für die Regierungen sind, da sich viele Gesetze so "abschieben" lassen. Hier ist es also ebenfalls sehr unwahrscheinlich, dass sich aus der EU heraus etwas daran ändern.

3.) Fehlenden Legitimation Einer Nation kann man ihre Souveränität nicht einfach "wegnehmen". Dies kann nur ein Volk selbst bestimmen. So erkennt es auch das Grundgesetz an (ich erspare euch die klischehafte Zitation des Artikels 146 GG). Die EU in ihrer heutigen Form kann überhaupt nicht von den Deutschen legitmiert werden. Es muss prinzipiell eine Verfassung dafür gegeben werden, unabhängig von der EU. Ein Vertrag kann nicht einfach in eine Verfassung durchdiffundieren. Im Prinzip fordern diese Anträge damit eigentlich eine Beschleunigung des Verfahrens. Aber das nur nebenbei.

Meiner Meinung nach besteht die einzige Lösung darin, die EU wie sie im Moment besteht vollkommen über den Haufen zu werfen, und noch einmal grundlegend neu zu starten. Die EU wurde vom Anfang an schlecht konstruiert (oder genau richtig, kommt darauf an wie man es sieht) und kann nicht in kleinen Schritten geheilt werden. Die 3 Punkte oben sind dabei nur die größten Hindernisse.

Eine sinnvolle, und meiner Meinung nach die einzige, Lösung wäre also die Erarbeitung einer echten Verfassung und der Volksabstimmung darüber. Um das zu tun, muss man aber zuerst aus der EU austreten. Und genau das fordern die Anträge.

5. Abschluss

Leider wird in diesem Thema die Welt sehr schnell in Freund und Feind unterteilt, was dieses Thema sehr unpopulär macht. Aber es ist ein wichtiges Thema, bei dem grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Dieser Antrag richtet sich dabei nicht gegen die europäische Integration, sondern will eine ehrliche demokratische europäische Union überhaupt erst ermöglichen.

Natürlich ist die Forderung sehr radikal, aber sie ist richtig. Und natürlich ist diese Meinung unpopulär, aber sie ist begründet. Und natürlich wird die Presse Unsinn darüber schreiben, was mir aber egal ist. Ich bitte also den Programmantrag 18 anzunehmen

Viele Grüße und gute Nacht

Wilm