TH:Protokoll Stadtratssitzung Erfurt 23 06 2010
Inhaltsverzeichnis
Ein Bericht von der Zuschauer-Empore 23.6./24.6.2010
Seit 23 Jahren wohne ich nun in Erfurt - langsam mal Zeit, sich auch mal die Leute anzuschauen, die Politik für diese Stadt machen.
Erste Erkenntnis: man soll sich eine Platzkarte vorher besorgen. Zweite Erkenntnis: so voll ist es längst nicht, zumindest wohl nicht bei strahlendem Sommerwetter. Die meisten Besucherinnen sind Tagesmütter, die sich für die zu treffende Entscheidung bezüglich der Vergütung von Tagesmüttern interessieren. Nein, ich bin keine Tagesmutter; ich erkläre, von der Piratenpartei zu sein und daß ich halt hingehe, weil mich die Arbeit des Stadtrates interessiert.
Eines vorweg: Ich hatte gehofft, hinterher ein Protokoll der Stadtratsitzung im Internet veröffentlicht zu finden und habe deshalb nicht alles mitgeschrieben. Das ist aber nicht vorgesehen, man kann die Protokolle wohl nur in den Bürgerbüros einsehen oder ich muß bis zum nächsten Erscheinen des Erfurter Amtsblattes warten. Deshalb sind nicht alle Punkte vollständig - und man konnte auch nicht alle Menschen gut verstehen auf der Empore.
Die einzelnen Fraktionen handhaben es auch sehr unterschiedlich mit der Veröffentlichung; was ich dazu gefunden habe, ist verlinkt.
Die Tagesordnung ist vollgepackt und an einem Abend nicht zu schaffen. Die Tagesmütter stehen ganz weit hinten auf dem Plan und kommen heute nicht mehr dran.
Der OB eröffnet die Sitzung und hält sichtlich bewegt eine Abschiedsrede zum Tod von Benno Lemke, dem Geschäftsführer der Stadtratsfraktion der Linken. Auf dessem verwaisten Platz liegt ein großer Blumenstrauß.
Danach werden jede Menge Geburtstagsglückwünsche verlesen, man klatscht pflichtschuldig.
Es folgen eine Reihe von
Dringlichkeitsanträgen
von der FDP-Fraktion. Ein Teil wird als dringlich bestätigt, die Umbenennung des Erfurter Flughafens z.B. nicht.
Zur
Einwohnerfragestunde
werden kurz und bündig Anfragen von Erfurter Bürgen beantwortet. Die Ratsvorsitzende zieht ein straffes Tempo durch, viel Zeit ist dafür nicht.
Nach der
Bestätigung der Protokolle der letzten Ratssitzungen
folgen weitere
Anfragen
unter anderem fragt die FDP:
- Ob die Umgestaltung der Erfurter Angers als dringlich behandelt werden kann - kann sie, ebenso
- die Bürgerbefragung zur Umgestaltung und
- was mit dem Parken auf der Rathausbrücke wird.
Hmm, als irgendwie dringlich hätte ich jetzt keins von diesen Themen gesehen, auf dem Anger stehen schließlich Bäume und ich finde, man sollte die einfach wachsen lassen und ab und zu mal gießen und düngen und Parken kann man auch in einem von den Parkhäusern und muß dann hat ein paar Minuten laufen.
Die SPD fragt nach
- dem Stand der Baustelle Magdeburger Allee 147 und muß sich sagen lassen, daß Baugenehmigungen nicht öffentlich sind - also weiß niemand, was damit wird.
- weiter geht es um eine Ausgrabungstelle, deren Zustand miserabel ist und einen schlechten Eindruck auf Touristen hinterläßt.
Die CDU hat Anfragen unter anderm zu
- Drogenmißbrauch
- dem Lutherkonzept
- und dem neuen Semesterzuschuß - falls das Auswirkungen auf den Haushalt haben sollte, soll es eine rechtzeitige Info an den Stadtrat geben.
Die Linke hat Fragen
- zur Rasenheizung im Erfurter Stadion
- zum Konzept Erfurter Flughafen
Bündnis 90 / Die Grünen fragen
Und die Freien Wähler fragen nach zu
- Gewalt an den Schulen
- Rauchverbote
- 50 Jahre EGA
Die Anfragen werden nicht im Wortlaut verlesen, nur das Thema. Ohne die entsprechenden Texte dazu kann ich mir nur zu manchen Themen vorstellen, worum es da genau geht. Mal sehn, ob ich vor der nächsten Ratsversammlung ein paar mehr Informationen dazu bekomme.
Auf der Website von B90/Grüne kann man jedenfalls alle Anträge und Anfragen nachlesen. Bei allen anderen Fraktionen - Fehlanzeige.
Nahezu jede Fraktion bedankt sich erst einmal ausführlichst bei der Verwaltung für die Antworten. Ein Teil der Anfragen wurde offenbar zufriedenstellend beantwortet; der Rest wird in die verschiedenen Ausschüsse verwiesen.
Große Aussprache zu den Angelegenheiten der Ortsteile.
Ortsteilbürgermeister reden über Erfahrungen und Probleme; hier ein Querschnitt:
- „Synergieeffekte” durch die Übergabe der Grünpflege ans Garten- und Friedhofsamt sind nicht erkennbar, wenn jetzt an einem Stück Grünstreifen vier Firmen beteiligt sind.
- Die Anbindung an den ÖPNV ist schlechter geworden
- Für Verbände oder z.B. die Freiwillige Feuerwehr ist kein Geld mehr vorhanden
- Es gibt willkürlich geschaffene Ortsteile
- massiver Abbau bei der Jugendarbeit
- Die Ortsteilbürgermeister haben nur einen unzureichenden Entscheidungsspielraum (Einwurf: Solange kein Geld da ist, ist es auch egal, was nicht entschieden werden kann)
- Bürger müssen besser einbezogen und beteiligt werden
- Die Ortsteilbürgermeister müssen mehr Mitspracherecht bekommen - sonst machts bald keiner mehr in den kleinen Gemeinden
- Ausbau der Radwege fehlt
- Der Stadtrat soll sich an die Empfehlungen der Ortsteilräte halten, sonst ist deren Arbeit sinnlos
- Ein Bericht zur Entwicklung der Erfurter Ortschaften soll alle 5 Jahre veröffentlicht werden, u.a. auch im Amtsblatt, um die Bürger besser einzubeziehen
- Die Anbindung an den ÖPNV sei nicht schlechter geworden, koste aber eben auch Geld, dazu gab es den schönen Satz: Man müsse einen Spannungsbogen zwischen der effizienten Nahverkehrsanbindung und den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger schaffen. Ah ja.
- Im Amtsblatt sind noch nicht einmal Adressen und Sprechzeiten der Ortsteilbürgermeister veröffentlicht
Arbeit für die Stadt wird aber auch von engagierten Bürgern geleistet. Eine Vertreterin der Bürgerinitiative Ilversgehoven hält eine lange Rede über die Arbeit der Ehrenamtlichen, berichtet von den Aktionen in und um Ilversgehoven, von deren Arbeit und Erfolgen.
Inzwischen ist es 19:00 und es geht weiter mit den
Entscheidungsvorlagen.
Die Texte der Drucksachen, über die abgestimmt weder soll, sind leider nicht auf der Seite des Erfurter Stadtrates zu finden. Vermutlich muß man sich dazu auch in eines der Bürgerbüros begeben. Schade, das bin ich von den Piraten anders gewohnt.
Die vorzeitige Ausführung des Kanalbaus sowie Ausbau der Straßen in Ermstedt wird abgelehnt.
Der allgemein desolate Zustand der Straßen ist bekannt, aber es sind leider mal eben keine 80.000 EUR im Stadthaushalt dafür übrig. 2011 sollen diese aber eingestellt werden.
Dem Einwohnerantrag „Keine Personalkürzungen im Jugendhaus Wiesenhügel” fehlen leider die notwendigen Unterschriften, um ihn zuzulassen. 300 müßten es sein, 200 sind es, damit wird er abgelehnt. Der OB sagt, er wollte es zumindest versucht haben.
Im März ist beschlossen worden, daß an Asylbewerber Lebensmittelgutscheine ausgegeben werden sollen. Die SPD hat beantragt, diesen Beschluß wieder aufzuheben. Die Freien Wähler finden es zwar gut, daß die Menschen damit grundsätzlich mehr Flexibilität hätten, sorgen sich um die Kosten, die dabei irgendwie möglicherweise zusätzlich entstehen könnten.
Auch wenn das Landesverwaltungsgericht diesen Beschluß wohl sowieso aufheben wird, stimmen 27 Stadträte dagegen, die Ausgabe von den Gutscheinen jetzt aufzuheben, nur 17 sind dafür. Da hilft auch nicht die Ermutigung der Ratsvorsitzenden : „Wer für den OB ist, der soll jetzt mit JA stimmen.” Man ist überwiegend weder für den OB noch für die Asylbewerber.
Es ist 19:45 - für heute ist Schluß. Deutschland spielt heute bei der WM.
Am 24. komme ich erst später, so zeitig konnte ich diesmal nicht Feierabend machen.
Der erste Tagesordnungspunkt für heute: Die Diskussion um den Sportstätten-Leitplan der Stadt Erfurt ist noch im Gange. Es geht gerade um den Neubau der 3. Schwimmhalle in Erfurt. Die Aufnahme in den Sportstättenleitplan wird abgelehnt. Vor allem die SPD betont, daß das nicht die Ablehnung der 3. Schwimmhalle an sich ist, sondern daß die Schwimmhalle ins Bäderkonzept gehört. Darüber wird aber heute nicht beschlossen.
Über die nächsten Entscheidungen wird zügig hintereinander abgestimmt, bis zum Beschluß über
die Ausweich-Trasse der Stadtbahn für den Bereich Bahnhofstraße und Bahnhofstunnel
Es soll erst einmal ein Gutachten darüber angefertigt werden, ob so eine alternative Streckenführung überhaupt möglich ist. Hintergrund der Geschichte ist, daß bei jedem Fußballspiel der gesamte Bahnhofsbereich gesperrt wird und die Leute zusehen können, wie sie in den bzw. vom Erfurter Süden kommen.
Die Freien Wähler sind skeptisch, denn allein so ein Gutachten kostet schon Geld und sie wüßten gern, über wieviel Geld denn jetzt überhaupt geredet wird. Das weiß leider keiner.
Die Linken finden es unsozial, daß jetzt Steuergelder aufgewendet werden sollen, um einen Bogen um die Randalierer zu machen.
Die CDU gibt zu bedenken, daß eine alternative Straßenbahntrasse sowohl den Flutgraben überqueren als auch unter der Bahn durch muß und daß es weder eine zweite Flutgrabenbrücke noch eine zweite Eisenbahnunterführung gibt. Aber man solle sich erst einmal die Planer anhören, vielleicht hätten diese ja noch eine geniale Idee, auf die bisher noch kein anderer gekommen ist.
Es gibt noch eine Ergänzung: Die Fußgängerbrücke über den Flutgraben wird bald geöffnet, dann könnte sich auch das Polizeikonzept ändern, so daß bei Fußballspielen nicht immer der ganze Bahnhofsplatz gesperrt werden muß. Eine entsprechende Anfrage beim Innenministerium liege schon vor und wird möglicherweise in diese Richtung beantwortet.
Die Gegner des Gutachtens sind aber trotzdem in der Minderheit.
Wäre schon interessant, was dann das Gutachten kostet. Gebaut werden wirds vermutlich sowieso nicht, es sei denn, hier bricht der Reichtum aus.
Das nächste große Thema ist Leitbild für die Entwicklung des Bahnhofsareals des Erfurter Hauptbahnhofes
Es geht um die langfristige Konzeption für das Thomasviertel. “Das Beste ist für Erfurt gerade gut genug”.
Alle sind stolz auf das Leitbild und betonen, daß wirklich von jeder Fraktion ein Anteil dabei ist.
Die FDP will sich bei der Abstimmung aber trotzdem enthalten, denn ihr fehlt die Einbeziehung des Handels.
Die Freien Wähler geben zu bedenken, daß der Investor Krieger-Gruppe auch vorhat, die Einkaufsfläche des Thüringenparks zu verdoppeln und ob dann noch genügend Reserven - und Motivation - für das Bahnhofsviertel übrig bleiben. (Interview der TA mit Chef-Stadtentwickler Paul Börsch)
Die CDU erwidert, daß es schließlich Vereinbarungen gebe, und daß weitere Investitionen der Krieger-Gruppe damit nichts zu tun haben.
Hoffen wir mal, daß es so ist.
Nach ein paar schnellen Abstimmungen geht es um Mietwohnungsneubau in Erfurt.
Von der CDU kommt ein Beitrag: Der Standort Erfurter Kreuz wächst und wächst. Die LEG kommt kaum hinterher mit den Erschließungsanträgen. Wir haben die Chance, daß die Einwohnerzahl von Erfurt wieder ansteigt. Dort arbeiten schließlich nicht nur Geschäftsführer sondern vor allen jede Menge Arbeitnehmer, dafür fehlen aber gute und bezahlbare Wohnungen. Die Stadt Erfurt sollte sich im Wohnungsbau engagieren.
Das sind doch mal erfreuliche Neuigkeiten und dieser Antrag wird einstimmig angenommen.
Weiter geht es Schlag auf Schlag mit den Abstimmungen. Bei der Wahl der ehrenamtlichen Richter für das Verwaltungsgericht Weimar hat ein Stadtrat offenbar Besseres zu tun, als die Hand zu heben sondern tippt auf seinem Notebook herum.
Endlich kommen wir zur besseren Bezahlung für Tagesmütter.
Der Zuschuß des Landes ist gestiegen, die Elternbeiträge sollten aber sinken, das wird jetzt nocheinmal im Ausschuß behandelt.
Zum Schluß einigen sich alle noch auf ein gemeinsames Radeln von Stadtrat, Stadtverwaltung und den Erfurter Bürgern.