Benutzer:Cat/Rede Jupis 01052012

Aus Wiki der Piraten Thueringen
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Liebe Menschen,


wir versammeln uns heute an einem Tag, der ein großes historisches Erbe in sich birgt. Von seinem Ursprung her mit den frühen Arbeiterprotesten in Amerika und Europa verbunden, spielt der 1. Mai auch heute noch eine wichtige Rolle. Dieser Tag bietet daher eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, welche Bedeutung Arbeit für uns hat. Der Begriff „Arbeit“ ist einem ständigem Bedeutungswandel unterworfen. Jean-Jacques Rousseau sprach im Zeitalter der Aufklärung von einem "Naturrecht des Menschen" auf Arbeit. Ja, die ganze Aufklärung sieht Arbeit als Existenzbedingung und sittliche Pflicht eines Jeden. Doch wie gestaltet sich dieser Sachverhalt in der Gegenwart? Den "klassischen Arbeiter" scheint es heute nicht mehr zu geben. Vielmehr treten ganz unterschiedliche Formen der Arbeit immer mehr in den Vordergrund, z.B. die projektbezogene Arbeit. Gestern wurde vermeldet, dass die Arbeitsproduktivität in Deutschland von 1991 bis 2011 um 23 Prozent gestiegen sei. Je Stunde, die ein deutscher Erwerbstätiger arbeitet, stieg die Produktivität sogar um 35 Prozent, weil sich die Anzahl der geleisteten Arbeit um 9 Prozent verringerte.


Was sagen uns diese Zahlen? Wir können viel produktiver sein – Dank des technologischen Fortschritts, der weiteren Spezialisierung und Effektivierung von Arbeitsprozessen sowie einer besseren Ausbildung. Und uns der dadurch geschaffenen, neuen Freizeit im Müßiggang erfreuen. Und wir brauchen den Fortschritt. Wir wollen uns entwickeln. Und dann stellen wir fest: nicht jeder hat die Möglichkeit eben diese sittliche Pflicht, von der die Aufklärung sprach, zu erfüllen. Der propagierte Arbeitsmarkt, auf dem Personen ihre "Arbeitskraft" anbieten können, existiert nicht. Stattdessen werden sehr gut qualifizierte Personen - und eben auch Jugendliche und junge Erwachsene - in nicht angemessen bezahlte Jobs gedrängt. Sie müssen ihren Heimatort verlassen, weit weggehen, können sich nur noch bedingt um ihre Familie und ihre engsten Angehörigen kümmern. Sie müssen sich selbst offenbaren und staatliche Unterstützung einfordern, weil sie von ihrem "erarbeiteten Geld" nicht leben können.


Wir Piraten versuchen diesen Prozess in die Augen zu schauen und nicht das ewige Märchen der "Vollbeschäftigung" zu propagieren. Denn ich muss euch enttäuschen: die Prinzessin "Vollbeschäftigung" ist tot. Es gibt kein Happy End. Oder doch? Wir sind durch eben jenen technologischen Fortschritt ein reiches Land. Und wir könnten noch ein reicheres und vor allem glücklicheres Land werden, wenn wir dieses Potenzial zur Entwicklung - welches in jedem von uns schlummert – aufgreifen und damit eine freie Entfaltung jedes einzelnen Menschen ermöglichen. Das soll nicht möglich sein? Wir sagen: Jeder Mensch hat das Recht auf eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe. Wir empfinden ein Leben am Rande des Existenzminimums unmenschlich und für eine Weiterentwicklung der Gesellschaft und der darin lebenden Individuen als hinderlich.


Wir Piraten sind der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen eine sichere Existenz als Grundlage für die Entfaltung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Potenziale nutzen wird. Das gegenwärtig sehr stark ansteigende gesellschaftliche Engagement und das Bedürfnis der Bürger nach mehr Mitbestimmung und Beteiligung ist ein Ausdruck dieses Potenzials. Bis wir als Gesellschaft in der Lage sind, jedem Menschen eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe - vielleicht in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens - zu gewährleisten, setzen wir Piraten uns für einen branchenübergreifenden Mindestlohn als Brückentechnologie ein. Außerdem ist es Zeit, die menschenunwürdigen Sanktionen für Hartz4-Empfänger endlich abzuschaffen.


Vielen Dank!